www.mariobehling.de

not updated anymore: Jan 2000

Multikulti zu Transkulti
Auf dem Weg zur Einheitskultur?

Multikulturalität, Interkulturalität, Transkulturalität

Wolgang Welsch: Transkulturalität. Zur Veränderten Verfasstheit heutiger Kulturen
Interkulturalität
Multikulturalität
Transkulturalität
Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations
Inhalt
Meinungen:
Der Mythos vom Kampf der Kulturen
Wider dem "Kampf der Kulturen"
Buchkritik "Kampf der Kulturen"
Transkulturalität im Leben 
Fusionen:
Multikulti im Büro
Staatsbürgerschaftsrecht:
Einfluss auf Millionen
Resümee
 
Kulturbegriffe
inter (lat.) - zwischen
multi (lat.) - viel, vielfach
trans (lat.) - quer, durch - hindurch, hinüber, jenseits
 

Wolfgang Welsch (1995): Transkulturalität. Zur veränderten Verfaßtheit heutiger Kulturen. In: Zeitschrift für Kulturaustausch 45, Nr. 1/95, S. 39-44.

Interkulturalität geht von der traditionellen Vorstellung der Kulturen als Kugel oder Insel aus. �Kulturen, ... , können sich der Logik iohres Begriffs gemäß eben nur voneinander absetzen, sich gegenseitig verkennen, ignorieren, diffamieren oder bekämpfen, nicht hingegen verständigen oder austauschen. Das Konzept der Interkulturalität sucht nun nach Wegen, wie die Kulturen sich ... miteinander vertragen, wie sie miteinander kommunizieren.�

Multikulturalität �greift die Probleme des Zusammenlebens verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft auf ... .Es geht von der Existenz klar unterschiedener, in sich homogener Kulturen aus. Das Multikulturalitätskonzept sucht dann nach Chancen der Toleranz, Verständigung, Akzeptanz und Konfliktvermeidung oder Konflikttherapie.�

Die Kulturen haben nicht mehr die unterstellte Form der Homogenität und Abgeschlossenheit. Das Konzept der Interkulturalität und der Multikulturalität sind nicht auf eine wirkliche Verständigung hin angelegt. 

Transkulturalität geht auf tatsächliche heutige Situation in den Gesellschaften ein. Durch Migration, Kommunikationssysteme und ökönomische Interdependenzen sind die Kulturen miteinander vernetzt. Verschiedene Lebensformen enden dabei nicht an Nationalgrenzen. Die Unterscheidung zwischen Eigenes und Fremdes ist oft nicht mehr möglich. �Anstelle der separierten Einzelkulturen von einst ist eine interdependete Globalkultur entstanden, die sämtliche Nationalkulturen verbindet und bis in Einzelheiten hinein durchdringt.� Transkulturalität steht also für eine Kultur der Integration. Das Kulturkonzept Wittgensteins liefert uns dafür einen geeignten Kulturbegriff. �Wittgenstein zufolge liegt Kultur dort, wo eine geteilte Lebenspraxis besteht. Zudem rechnet dieses Konzept mit mannigfaltigen Verflechtungen, Überschneidungen und Übergängen zwischen den Lebensformen. ... Wenn ein Individuum durch unterschiedliche kulturelle Anteile geprägt ist, wird es zur Aufgabe der Identitätsbildung, solche transkulturellen Komponenten miteinander zu verbinden.�

Beschreibt die Transkulturalität also den neuen uniformierten Weltbürger? Auf diesen Einwand antwortet Wolfgang Welsch: �Vielheit im traditionellen Modus der Einzelkulturen schwindet... . Statt dessen entwickelt sich eine Vielheit unterschiedlicher Lebensformen transkulturellen Zuschnitts.� 
 

Huntington, Samuel P. (1996): The Clash Of Civilizations And The Remaking Of World Order. Touchstone. UK. 

Mit dem Problem der Beziehungen zwischen Kulturen beschäftigt sich auch Samuel P. Huntington. Allerdings sieht er das Problem im Zeitalter eines globalen Staatensystems eher bei der Abgrenzung der Kulturen voneinander, er beschreibt sogar einen möglicherweise bevorstehenden �Kampf der Kulturen". "The Clash of Civilizations" gibt einen Ausblick auf im 21. Jh. zu erwartende weltpolitische Konflikte. Danach würde, die vom kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ideologisch geprägte bipolare Welt nach dem zweiten Weltkrieg und bis zur Wende in Osteuropa, im 21. Jahrhundert von einer multipolaren Welt abgelöst, die durch Konflikte zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen geprägt sei. Verantwortlich für diese Konflikte sind nicht zu vereinbarende Wertesysteme, unterschiedliche kulturbedingte Verhaltensweisen,Sitten und Tradition sowie Sprache und Religion. Diese Konflikte könnten v.a. innerhalb von multiethnischen oder multikulturellen Staaten ausbrechen, z.B.  in Form von Autonomiebestrebungen, wie im Balkan. Derartige Bürgerkriege sind viel schwieriger unter Kontrolle zu bringen als Kriege zwischen Nationalstaaten, da in Bürgerkriegen keine regulären Truppen kämpfen, die unter einheitlichem Oberbefehl einer Führung stehen. In zukünftigen zwischenstaatlichen Krisen in der Welt werden sich die Länder entlang von kulturellen Grenzen formieren.

Karrikatur aus der Süddeutschen Zeitung vom 20./21. März zu einem Artikel von Huntington

Wohin die  Macht driftet 

Weltpolitik an den Bruchlinien der Kulturen - ein Szenario für das 21. Jahrhundert

 
Wie wird die Staatenwelt im 21. Jahrhundert aussehen? Wird die Vormachtstellung der USA Bestand haben? Wird das vereinte Europa zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten? Und wo erden die Konfliktherde der Zukunft liegen? Auf der Grundlage seiner These, dass die Weltpolitik nicht mehr primär von Macht- oder Wirtschaftsinteressen geprägt wird, begründet ... Huntington ..., warum Konflikte vor allem dort entstehen, wo unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen. Die Schlachtfelder der Zukunft, so seine Vision, liegen entlang der kulturellen Fronten, wobei der Westen gegen den Rest der Welt steht - einer Welt, in der sich Koalitionen bilden werden, die bislang undenkbar waren.
 

Meinungen 

Der Mythos vom Kampf der Kulturen

Eine Kritik an Huntingtons kulturalistischer Globaltheorie

Harald Müller

Der Kampf der Kulturen findet nicht statt. Vorsicht ist angeraten gegenüber Huntingtons Globaltheorie. Sie pflegt ihre Tugend der Einfachheit auf Kosten der Wahrheit und verfälscht die Realität. 

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ist nichts mehr, wie es früher war, die Zukunft ist ungewiß - und die Sowjets können nicht mehr schuld daran sein. In dieser Ungewißheit verspricht uns Samuel Huntington neue Orientierung: die Weltgeschichte treibt nach den Ideologien nun die "Kulturen" gegeneinander - er benutzt den Begriff der "Zivilisation", die im Angelsächsischen bevorzugte Ausdrucksweise. Sie bilden die großen Feindgruppen der Gegenwart und Zukunft. Am Horizont dräut die islamisch-konfuzianische Koalition gegen alles Westliche - hier kombiniert Huntington die "Gelbe Gefahr" mit den "Türken vor Wien", zwei in den westlichen Kulturen tiefverwurzelte historische Bedrohungsängste.

Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung (Okt.'98) http://www.dse.de/zeitschr/ez1098-4.htm
 

Wider dem "Kampf der Kulturen"! 

Samuel P. Huntingtons Thesen über Machtpolitik und Kriege im 21. Jahrhundert

Die idyllischen Erwartungen der Herrschenden - und manch naiver oppositioneller "Realpolitiker" - nach dem Kalten Krieg haben sich nicht erfüllt. Anstatt über "Ende der Geschichte", Sieg von Demokratie und Kapitalismus, immerwährendem Frieden wird jetzt über den "Kampf der Kulturen" diskutiert. Harvard-Professor Samuel P. Huntington liefert die Politikberatung für die zukünftige Weltpolitik und die kommenden Kriege.

Zeitschrift graswurzelrevolution Jan'97 http://www.comlink.de/~graswurzel/215/kulturen.html
 

Buchkritik: Kampf der Kulturen 

Nach dem völlig überraschenden Ende des Kalten Krieges wurde vielfach von einem "Ende der Geschichte" und dem Anbruch eines goldenen, friedlichen Zeitalters geträumt. Doch schon bald war klar, daß mit dem Ende des globalen Konfliktes der beiden großen Ideologien des 20. Jahrhunderts die Welt unberechenbarer geworden war. Am Persischen Golf mußte eine internationale Staatengemeinschaft die irakischen Truppen aus Kuwait vertreiben, die nach wie vor (zumindest auf dem Papier) kommunistischen Regime Nordkoreas und Chinas rasselten gegenüber ihren Brüderstaaten Südkorea und Taiwan lauter und bedrohlicher mit den Waffen als je zuvor und selbst in Europa, das nach dem Zweiten Weltkrieg mit Ausnahme der Interventionen durch die Rote Armee in diversen Ostblockstaaten von zwischenstaatlichen militärischen Konflikten verschont geblieben war, loderte plötzlich wieder das Feuer des Krieges. ....

Onlinemagazin: amigagadget  http://www.amigagadget.de/32/p.lit.kampfderkulturen.html

Transkulturalität im Leben 

FUSIONEN 

Multikulti im Büro

Der Chef reckt die Faust in die Höhe: �Wer ist die Nummer eins?� �Der Kunde, der Kunde, der Kunde�, donnert es aus 50 Verkäuferkehlen zurück. Seitdem der amerikanische Handelskonzern Wal-Mart die Wertkauf-Filiale im hessischen Dreieich-Sprendlingen übernommen hat....
.... Deutsche Unternehmenskultur? Vorbei und verweht. Daimler, genauer Daimler-Chrysler, sucht per Anzeige, in der kaum mehr ein deutsches Wort vorkommt, einen �Corporate Protocol Key Relationship Manager mit natürlicher Affinität zum tranatlantischen Kommunikationstil und interkultureller Rundum-Bildung�.

Wirtschaftswoche Nr.3/14.1.1999  http://www.wiwo.de/wwunternehmen/03_fusionen.htm
 

STAATSBÜRGERSCHAFTSRECHT 

EINFLUSS AUF MILLIONEN 

Der Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft verstellt den Blick aufs Wesentliche: Deutschland muß seine Ausländer besser integrieren und künftige Zuwanderer gezielter auswählen. 
Die Unternehmer schweigen. Zum derzeitigen ....

Wirtschaftswoche  3.1999  http://www.wiwo.de/wwheft/03_99/titel.htm

Resümee 

Trankulturalität vs. Uniformierung / Nationalstaat / Realitätsbezug

Bei dem Konzept der Transkulturalität ist z.B. vom Rückgang der Bedeutung der Nationalstaatlichkeit und der Muttersprache die Rede,  das heisst ja nicht, dass in Zukunft alle englisch sprechen werden. Der Anteil englischer Muttersprachler an der Weltbevölkerung geht sogar zurück. Nichtsdestotrotz wird der Einfluss des Englischen als "Lingua Franca" sich erhöhen. Gleichzeitig könnten sich aber in den verschiedenen Weltregionen ganz andere (bzw. zusätzliche) Sprachen als "Lingua Franca" etablieren. In grossen Teilen der Weltbevölkerung wird Mehrsprachigkeit zunehmen, in einigen afrikanischen Ländern müssen die Menschen heute schon 5 Sprachen sprechen, um sich verständigen zu können. Durch diese Mehrsprachigkeit verstärken sich die verschiedenen Einflüsse der Kulturen, Sprache ist ein wichtiger Teil der Kultur, auf Individuen. Und durch diese vielläufige Entwicklung werden ergo keine einheitlichen, uniformierten Menschen entstehen, sondern eine Vielzahl verschiedener Typen. "Es entwickelt sich eine Vielheit unterschiedlicher Lebensformen transkulturellen Zuschnitts." Diesem transkulturellen Menschen kann der Nationalstaat nicht mehr gerecht werden. Ja, er fühlt sich regelrecht entfremdet in ihm, denn er lebt im Geiste ausserhalb oder über dem Nationalstaat. Der Nationalstaat kann die Bedürfnisse des transkulturellen Menschens nicht mehr erfüllen. Es treten Probleme und Fragen auf, die der Nationalstaat nicht mehr lösen und beantworten kann, Stichwort Staatsbürgerschaftsrecht, Zoll-& Grenzschranken, Protektionismus, Multinationale Konzerne. 
Das Entstehen der transkulturellen Gesellschaft kann heute nicht mehr bestritten werden. Gerade in Deutschland ist dies zu beobachten. Es gibt viele in Deutschland lebende Ausländer, die nicht zu einer Kultur (Nationalität) im alten Sinne zuzurechnen sind. Der Vorteil des transkulturellen Konzepts liegt gerade darin diese "Übernationalität" als Chance zu sehen. Nach der multikulturellen & interkulturellen Sichtweise wurden z.B. in Deutschland geborene Kinder ehemaliger türkischer Gastarbeiter, als zwischen den Kulturen stehende Menschen beschrieben. Diese ausgrenzende Sichtweise führte eher zu Problemen als zu Lösungen.
Ist das Konzept der Transkulturalität nicht auch ein Zurückbesinnen auf die Realitäten in der Welt? Soetwas wie abgeschlossene homogene Nationen, u.a. durch eine gemeinsame Kultur und Sprache bestimmt, sind eher selten oder es wurde erst versucht, sie nach dem 1.Weltkrieg künstlich zu schaffen. Man glaubte einen Frieden durch eine saubere Teilung, einen Grenzzug, entlang der kulturellen Linien zu erreichen. Diese Linien sind aber in der Wirklichkeit, gar nicht so eindeutig zu bestimmen. Ja, oft gibt es solche eindeutigen Trennungen gar nicht, wie in Bosnien und jetzt im Kosovo zu sehen. Die alten multiethnischen Staaten, wie das Kaiserreich Österreich-Ungarn zudem ja grosse Teile von Jugoslawien, Kroatien, Bosnien gehörten, wurden v.a. auch durch militärische Macht zusammengehalten. Das ganze Imperium stand somit auch unter der kulturellen und sprachlichen Vorherrschaft Österreichs. Es ist interessant darüber nachzudenken, ob die früheren militärischen Mittel nicht heute durch andere ersetzt wurden. So könnte man einmal die Rolle des Geldes in dieser Hinsicht untersuchen. 
In der idealen transkulturellen Gesellschaft findet ein Austausch (Übernahme, Verflechtungen, Verschmelzungen etc.) zwischen den Kulturen aber freiwillig statt, wobei theoretisch keine Kultur (Zivilisation) bevorteilt wird. Wie Huntington aber beschreibt sind gerade solche Kulturen attraktiv, die besonders erfolgreich sind oder scheinen. Es wird dann versucht von diesen Kulturen zu übernehmen. Lange Zeit wurde Modernisierung mit Verwestlichung in der Welt gleichgesetzt. Das hat sich geändert, die asiatischen Staaten z.B. sehen ihre gerade wiedererstarkende Wirtschaft und Kraft als Produkt ihrer eigenen Kultur. Huntington geht jedoch noch von einem alten abgrenzenden Kulturbegriff aus, der bei der heutigen Entwicklung an seine Grenzen stösst. Um den "Clash of Civilizations" zu verhindern und Huntingtons Visionen nicht wahr werden zu lassen, müssen wir uns zuerst von diesem Kulturbegriff verabschieden. Welsch hält den Kulturbegriff Wittgensteins für brauchbar. "Wittgenstein zufolge liegt Kultur dort, wo eine geteilte Lebenspraxis besteht." Diese Definition ist von ethnischer Fundierung und Homogenitätsansprüchen frei. Meiner Ansicht nach drückt die Transkulturalität eine heute bereits existierende Wirklichkeit aus. Es gibt sie nicht die Polen, die Deutschen, die Katholiken, die Jugend, die Studenten, die Mütter.... . Man kann mehrere "kulturelle Identitäten" auf sich vereinigen. Jedes Individuum hat eine "Binnenkultur" (Welsch). Wir sind Wanderer zwischen den Welten, ein Gemisch aus verschiedenen kulturellen Zutaten. Der Zugang zu diesen "Zutaten" ist durch moderne Medien, besonders das Internet, immer leichter möglich, wodurch sich die Entwicklung zur Transkulturalität nur verstärken wird. 
Mario Behling
 

plan

literatur

links

zitate

mb-Uni-Homepage   |    ©© 1999 MarioBehling