(Hinweise aus Umberto Eco's Buch "Wie man eine wissenschaftliche
Abschlussarbeit schreibt.", 288 Seiten - UTB Uni-Taschenbücher
Verlag, Erscheinungsdatum: 18. März 2002, Auflage: 9. Aufl.)
Was ist eine Abschlussarbeit?
- maschinengeschriebene, schriftliche Ausarbeitung in der ein Problem
behandelt wird, das aus dem Studienfach stammt
- Forschungsarbeit oder kompilatorische Arbeit?
- Fragen: Reife, Arbeitskraft, Geld, Transport und Reismöglichkeit
- "Eine gute Abschlussarbeit muss nicht unbedingt auf eigenständiger
Forschung beruhen, sie kann auch kompilatorisch sein."
- > übersichtliche Darstellung der verschiedenen Ansichten,
Gesamtüberblick geben, der auch für Spezialisten interessant
sein kann
Was eine Arbeit auch nach dem Universitätsabschluss nützt
1. Arbeit zur Grundlage für weitere Forschung machen
2. Möglichkeit, dass jemand von der Arbeit, z.B. Fremdenverkehrsdirektor
Schritte zur Abschlussarbeit
1. bestimmtes, klar umrissenes Thema
2. Material sammeln
3. Material ordnen
4. Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen
5. Alle Überlegungen in Zusammenhang bringen
6. Alles dies in einer Weise tun, dass derjenige, der das Ergebnis liest,
verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche
Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das
Thema forschen wollte
- schreiben bedeutet zu lernen die eigenen Gedanken in Ordnung zu bringen
-> methodische Arbeit, d.h.:
- Gegenstand erarbeiten, der auch für andere nützlich sein
kann
- Das Thema weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mitsichbringt
"...dass‚ wer eine Abschlussarbeit schreiben will, eine
schreiben soll, die er schreiben kann.' "
WICHTIG BEI THEMENWAHL
1. Thema soll den Interessen des Kandidaten entsprechen
2. Die Quellen, die herangezogen werden müssen, sollen auffindbar
und zugänglich sein
3. Der Kandidat soll mit den Quellen, die herangezogen werden müssen,
umgehen können
4. Die methodischen Ansprüche des Forschungsvorhabens müssen
dem Erfahrungsbereich des Kandidaten entsprechen
Das Thema
- Gefährliches Thema: z.B. "Die deutsche Literatur vom Ende
des zweiten Weltkrieges bis zum Mauerbau"
- besser: "die verschiedenen Fassungen eines Werkes"
Beispiel aus dem Buch Eco's
"Das Thema Geologie beispielsweise ist zu weit. Vulkanologie,
als Zweig der Geologie, ist noch zu umfassend. Die Vulkane Mexikos könnte
eine vernünftige, wenn auch etwas oberflächliche Arbeit abgeben.
Eine weitere Beschränkung würde zu einer wertvolleren Untersuchung
führen: Die Geschichte des Popocatepetl (den einer der Konquistadoren
des Cortez' wahrscheinlich 1519 erstieg und der erst im Jahr 1702 einen
heftigen Ausbruch hatte). Ein noch engeres Thema, das einen kleineren
Zeitraum erfasst, wäre: Der Ausbruch und das scheinbare Erlöschen
des Parcutin (vom 20. Februar 1943 bis zum 4. März 1952).
Was mich betrifft, ich würde zum letzten Thema raten. Unter der
Bedingung, dass der Kandidat wirklich alles bringt, was es über
diesen verflixten Vulkan zu sagen gibt."
- eine Arbeit über ein angegebenes Thema zu schreiben, bedeutet
den ganzen Hintergrund präsent zu haben! -> größerer
Zusammenhang und Verständnis
- "Je begrenzter das Gebiet, umso besser kann man arbeiten und
auf um so sicheren Grund steht man"
- von nichts kommt nichts -> Bezugnahme auf frühere Autoren
- bei angewandten Fächern Themen wie "Die Farbwahrnehmung
der Kashinawa-Indianer im Amazonasgebiet Perus"
- trotzdem vor Untersuchung zuerst andere Autoren lesen -> nicht
erfinden, was schon erfunden ist!
- Arbeit kann auch Überprüfung einer Methode oder Theorie
sein
- Historisch oder zeitgenössisch? -> Historisch: gesicherter
Auslegungsrahmen, Zeitgenössisch: viele Quellen zugänglich
- Historisch-theoretische Themen oder lebendige Erfahrung -> hängt
von eigenen Zukunftsvorstellungen ab
Welchen Umfang hat eine Abschlussarbeit?
Bachelorarbeit: 40 Seiten
Masterarbeit: 80 Seiten
Diplomarbeit: 80 Seiten
Wieviel Zeit braucht man für eine Abschlussarbeit?
- je nachdem (Masterarbeit: Prüfungsordnung der Europa-Universität
Viadrina - angegegeben 4 Monate)
Empfehlung:
Wahl des Themas und Betreuers im zweiten Studienjahr beim Bachelor und
Diplom und zu Beginn des Masterstudiums
- gibt Zeit für Studienreisen, Praktika zum Thema
- Schritt-für-Schritt-Absprache mit Betreuer
- Übung am Betreuer - Arbeit ist für Publikum!
- gibt die Möglichkeit bereits am Thema zu arbeiten, z.B. Hausarbeiten
zu schreiben, Referate zu halten
- ermöglicht Materialsuche im Alltag, z.B. durch aufmerksames Zeitungslesen
Innerhalb vorgegebener Zeit nicht erreicht? Fehler:
1. Thema gewählt, dass Kraft übersteigt
2. Man gehört zu denen, die niemals zufrieden sind (guter Wissenschaftler
kann sich selber Grenzen setzen und etwas zustande bringen!)
3. Dissertations-Neurose (hört auf <-> fängt wieder
an, wird niemals fertig)
Was ist Wissenschaftlichkeit
1. Untersuchung eines erkennbaren Gegenstandes
2. Die Untersuchung muss über diesen Gegenstand Dinge sagen, die
noch nicht gesagt worden sind oder Dinge, die schon gesagt worden sind,
aus einem neuen Blickwinkel sehen. (kompilatorische Arbeit nur wissenschaftlichen
Nutzen, wenn es nichts Vergleichbares gibt auf diesem Gebiet)
3. Untersuchung muss für andere von Nutzen sein (eine Arbeit ist
wissenschaftlich, wenn sie dem etwas hinzufügt, was bisher schon
in der Öffentlichkeit bekann was)
4. Die Untersuchung muss jene Angaben enthalten, die es ermöglichen
nachzuprüfen, ob ihre Hypothesen falsch oder richtig sind
a) Beweise vorlegen
b) Erklären, wie ich vorgegangen bin
c) Erklären, wie man vorgehen müsste, um weitere zu finden
d) Nach Möglichkeit verdeutlichen, der Fund welchen Knochens meine
Hypothese platzen lassen würde
Materialsuche
- Primärquellen "Die Schriften von Goethe"
- Sekundärquellen "Die Schriften über Goethe"
- Eine Übersetzung ist keine Quelle (ist Hilfsmittel)
- "eine Abschlussarbeit über einen Autor schreiben, heißt
sich zu bemühen, dass man etwas sieht, was andere noch nicht gesehen
haben..."
- die Quellen auf die sich das Thema des Gegenstandes richtet, müssen
immer aus erster Hand sein
Suche
- Bibliothek: Schlagwortsuche (auch alte Schreibweisen testen)
- Bibliographische Nachschlagewerke (Handbücher)
- Zeitschriften
- Betreuer fragen
- Fernleihe
- Buchläden, wo man sitzen und lesen kann
- Internet, interne Netzwerke, CD-Roms, DVD's, Datenbanken
Arbeitsplan
- Die Inhaltsübersicht zugleich als Arbeitshypothese schreiben
-> dient dazu , die von der Arbeit erfassten Bereiche abzustecken
(Beispiel Autoreise: erst Weg planen, danach ändern)
- Inhaltsübersicht danach für jedes Kapitel eine zusammenfassende
Inhaltsangabe
- Titel, Inhaltsverzeichnis, Einführung
- Obertitel: Das Attentat auf Togliotti und der Rundfunk
- Untertitel: Eine inhaltliche Analyse zum Nachweis, welcher Gebrauch
vom Sieg Gino Bartalis bei der Tour de France gemacht wurde, um die
Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung vom wichtigsten politischen
Ereignis abzulenken
- Untertitel beinhaltet eine Frage!
- Einleitung: Mit dieser Arbeit will ich die und die These beweisen.
Die bisherigen Untersuchungen haben viele Fragen offengelassen, und
das gesammelte Material ist unzureichend. Im ersten Kapitel versuche
ich den und den Punkt nachzuweisen. Im zweiten beschäftige ich
mich mit jenem anderen. Schließlich möchte ich dies und jenes
nachweisen. Die Arbeit beschäftigt sich im Kern mit diesem Thema.
Innerhalb der Arbeit ergeben sich diese und jene Grenzen und Einschränkungen.
Ich habe diese Methode für meine Untersuchung dieser und jener
Gruppe benutzt und beziehe mich v.a. auf die und die Quellen, die ich
für die Arbeit erschließen konnte.
- ist eine vorläufige Einleitung, wird noch x-mal umgeschrieben
- ermöglicht Betreuer klarzumachen, was man will
- verdeutlicht, ob man schon klare Vorstellungen hat
- Einleitung so schreiben, als handle es sich um die Rezension des fertigen
Buches
- Keine Angst zu weit vorzupreschen, später noch Zeit sich zurückzuziehen
Was unterscheidet die erste Fassung der Einleitung von der letzten?
- in der letzten vorsichtiger und weniger versprechen!
- Letzte Fassung hat Aufgabe, Leser Eindringen in die Arbeit zu erleichtern
- Halten, was man verspricht!
- "Eine gute, endgültige Fassung der Einleitung soll erreichen,
dass der Leser sich mit ihr begnügt, alles versteht und den Rest
der Arbeit nicht mehr liest
- Einleitung soll Rezensenten auf die richtige Idee bringen und ihn
veranlassen, dass über das Buch zu sagen, was der Autor will
- Einführung legt fest was Zentrum und was Peripherie ist
- Gliederung z.B. chronologisch, Ursache - Wirkung, raumbezogen, vergleichend-gegenüberstellend,
induktiv (von Beweisen zum Vorschlag einer Theorie), deduktiv (erst
Theorie, dann Beweis)
Einleitung der Arbeit nach Inhaltsverzeichnis
1. Hauptproblem
1.1 Erstes Unterproblem
1.2 Zweites Unterproblem
2. Entwicklung des Hauptproblems
2.1 Erste Verzweigung
2.2 Zweite Verzweigung
- interne Verweisungen v.a. in Schlussfolgerung - Inhaltsverzeichnis
ist Gitter
An wen richtet sich die Arbeit
- Anspruch auf ein breites Publikum haben
- Betreuer als Versuchskaninchen benutzen
BEACHTEN:
- Definition der verschiedenen Begriffe
- Der Leser hat nicht die gleiche Arbeit wie Schreiber hinter sich
- Was muss erklärt werden, was ist Allgemeinwissen - Zielgruppe
- Kurze Sätze, keine Angst vor Wiederholungen des Subjekts (S.185)
- Im ersten Durchgang - alles schreiben was durch den Kopf geht!
- Und viele Absätze für Rhythmus
- Später Abschweifungen in Anmerkungen unterbringen
- Abschlussarbeit beweist These, nicht nötig zu zeigen, dass man
alles weiß
- Wenn Anfang schwierig mit späteren Kapitel beginnen
Zitate
1. Man zitiert einen Text mit dem man sich auseinandersetzt und den
man interpretiert
2. Man zitiert einen Text zur Unterstützung der eigenen Auslegung
Einige Regeln
1. Stellen, die analysiert werden sollen, werden ausführlich zitiert
2. Textstellen aus Sekundärliteratur werde nur zitiert, wenn sie
wegen ihres Gewichts die eigene Auffassung unterstützen
3. Wer zitiert, lässt damit erkennen, dass er die Ansicht des zitierten
Autors teilt, es sei denn, er bringe etwas anderes zum Ausdruck
4. Autor und Quelle müssen sich klar ergeben
5. Historische Primärquellen werden, wenn möglich, nach der
anerkanntesten Ausgabe zitiert, bei modernen aus der letzten Version,
wenn sie Veränderungen oder Berichtigungen enthält
6. Fremdsprachige Autoren werden in der Originalsprache zitiert (außer
bei statistischen Angaben, historischen Informationen, anderen Informationen)
7. Die Verweisung auf Autor und Werk muss klar sein (z.B. beim gleichzeitigen
Zitieren mehrerer Autoren)
8. Die Zitate müssen wortgetreu sein
9. Zitieren ist wie in einem Gerichtsprozess etwas unter Beweis stellen.
Man muss die Zeugen beibringen und den Nachweis erbringen, dass sie
glaubwürdig sind, darum muss die Verweisung ganz genau sein.
FUßNOTEN
Mögliche Aufgaben
a) Fußnoten haben die Aufgabe, einer im Text behandelten Auffassung
weitere bibliographische Angaben, die sie stützen, hinzuzufügen:
"Vgl. zu dieser Auffassung auch..."
b) Fußnoten dienen der Verweisung in der Arbeit selbst und auf
andere Arbeiten. (Interne Verweisungen können, wenn sie wichtig
sind, auch im Text vorgenommen werden.)
c) Fußnoten dienen dazu, ein unterstützendes Zitat einzuführen,
das im Text gestört hätte.
d) Fußnoten dienen dazu, im Text getroffene Feststellungen zu
erweitern (z.B. Randbemerkungen und nebensächliche Informationen)
e) Fußnoten dienen dazu, Feststellungen des Textes richtigzustellen.
Ihr seid eurer Sache sicher, aber es ist euch klar, dass andere anderer
Meinung sind oder Einwende vorbringen könnten.
f) Fußnoten können die Übersetzung einer Textstelle
in die eigene Sprache bringen.