Europe-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

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Tutorium Soziale Organisation

Sommersemester 2003, Tutor: Mario Behling

Wie schreibe ich eine Abschlussarbeit?

- "Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt" von Umberto Eco, Hinweise zusammengestellt von Mario Behling; wie-schreibe-ich-eine-abschlussarbeit.rtf (62 KB)


Die Abschlussarbeit

(Hinweise aus Umberto Eco's Buch "Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt.", 288 Seiten - UTB Uni-Taschenbücher Verlag, Erscheinungsdatum: 18. März 2002, Auflage: 9. Aufl.)

· Was versteht man unter einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit?
· Wie findet man das Thema?
· Wie teilt man die Zeit für die Bearbeitung ein?
· Wie geht man bei der Literatursuche vor?
· Wie wertet man das Material aus?
· Wie gestaltet man die Auswertung äußerlich?


Was ist eine Abschlussarbeit?
- maschinengeschriebene, schriftliche Ausarbeitung in der ein Problem behandelt wird, das aus dem Studienfach stammt
- Forschungsarbeit oder kompilatorische Arbeit?
- Fragen: Reife, Arbeitskraft, Geld, Transport und Reismöglichkeit
- "Eine gute Abschlussarbeit muss nicht unbedingt auf eigenständiger Forschung beruhen, sie kann auch kompilatorisch sein."
- > übersichtliche Darstellung der verschiedenen Ansichten, Gesamtüberblick geben, der auch für Spezialisten interessant sein kann

Was eine Arbeit auch nach dem Universitätsabschluss nützt
1. Arbeit zur Grundlage für weitere Forschung machen
2. Möglichkeit, dass jemand von der Arbeit, z.B. Fremdenverkehrsdirektor

Schritte zur Abschlussarbeit
1. bestimmtes, klar umrissenes Thema
2. Material sammeln
3. Material ordnen
4. Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen
5. Alle Überlegungen in Zusammenhang bringen
6. Alles dies in einer Weise tun, dass derjenige, der das Ergebnis liest, verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das Thema forschen wollte

- schreiben bedeutet zu lernen die eigenen Gedanken in Ordnung zu bringen -> methodische Arbeit, d.h.:
- Gegenstand erarbeiten, der auch für andere nützlich sein kann
- Das Thema weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mitsichbringt

"...dass‚ wer eine Abschlussarbeit schreiben will, eine schreiben soll, die er schreiben kann.' "

WICHTIG BEI THEMENWAHL
1. Thema soll den Interessen des Kandidaten entsprechen
2. Die Quellen, die herangezogen werden müssen, sollen auffindbar und zugänglich sein
3. Der Kandidat soll mit den Quellen, die herangezogen werden müssen, umgehen können
4. Die methodischen Ansprüche des Forschungsvorhabens müssen dem Erfahrungsbereich des Kandidaten entsprechen

Das Thema
- Gefährliches Thema: z.B. "Die deutsche Literatur vom Ende des zweiten Weltkrieges bis zum Mauerbau"
- besser: "die verschiedenen Fassungen eines Werkes"

Beispiel aus dem Buch Eco's

"Das Thema Geologie beispielsweise ist zu weit. Vulkanologie, als Zweig der Geologie, ist noch zu umfassend. Die Vulkane Mexikos könnte eine vernünftige, wenn auch etwas oberflächliche Arbeit abgeben. Eine weitere Beschränkung würde zu einer wertvolleren Untersuchung führen: Die Geschichte des Popocatepetl (den einer der Konquistadoren des Cortez' wahrscheinlich 1519 erstieg und der erst im Jahr 1702 einen heftigen Ausbruch hatte). Ein noch engeres Thema, das einen kleineren Zeitraum erfasst, wäre: Der Ausbruch und das scheinbare Erlöschen des Parcutin (vom 20. Februar 1943 bis zum 4. März 1952).
Was mich betrifft, ich würde zum letzten Thema raten. Unter der Bedingung, dass der Kandidat wirklich alles bringt, was es über diesen verflixten Vulkan zu sagen gibt."

- eine Arbeit über ein angegebenes Thema zu schreiben, bedeutet den ganzen Hintergrund präsent zu haben! -> größerer Zusammenhang und Verständnis
- "Je begrenzter das Gebiet, umso besser kann man arbeiten und auf um so sicheren Grund steht man"
- von nichts kommt nichts -> Bezugnahme auf frühere Autoren
- bei angewandten Fächern Themen wie "Die Farbwahrnehmung der Kashinawa-Indianer im Amazonasgebiet Perus"
- trotzdem vor Untersuchung zuerst andere Autoren lesen -> nicht erfinden, was schon erfunden ist!
- Arbeit kann auch Überprüfung einer Methode oder Theorie sein
- Historisch oder zeitgenössisch? -> Historisch: gesicherter Auslegungsrahmen, Zeitgenössisch: viele Quellen zugänglich
- Historisch-theoretische Themen oder lebendige Erfahrung -> hängt von eigenen Zukunftsvorstellungen ab

Welchen Umfang hat eine Abschlussarbeit?
Bachelorarbeit: 40 Seiten
Masterarbeit: 80 Seiten
Diplomarbeit: 80 Seiten

Wieviel Zeit braucht man für eine Abschlussarbeit?
- je nachdem (Masterarbeit: Prüfungsordnung der Europa-Universität Viadrina - angegegeben 4 Monate)

Empfehlung:
Wahl des Themas und Betreuers im zweiten Studienjahr beim Bachelor und Diplom und zu Beginn des Masterstudiums
- gibt Zeit für Studienreisen, Praktika zum Thema
- Schritt-für-Schritt-Absprache mit Betreuer
- Übung am Betreuer - Arbeit ist für Publikum!
- gibt die Möglichkeit bereits am Thema zu arbeiten, z.B. Hausarbeiten zu schreiben, Referate zu halten
- ermöglicht Materialsuche im Alltag, z.B. durch aufmerksames Zeitungslesen

Innerhalb vorgegebener Zeit nicht erreicht? Fehler:
1. Thema gewählt, dass Kraft übersteigt
2. Man gehört zu denen, die niemals zufrieden sind (guter Wissenschaftler kann sich selber Grenzen setzen und etwas zustande bringen!)
3. Dissertations-Neurose (hört auf <-> fängt wieder an, wird niemals fertig)

Was ist Wissenschaftlichkeit
1. Untersuchung eines erkennbaren Gegenstandes
2. Die Untersuchung muss über diesen Gegenstand Dinge sagen, die noch nicht gesagt worden sind oder Dinge, die schon gesagt worden sind, aus einem neuen Blickwinkel sehen. (kompilatorische Arbeit nur wissenschaftlichen Nutzen, wenn es nichts Vergleichbares gibt auf diesem Gebiet)
3. Untersuchung muss für andere von Nutzen sein (eine Arbeit ist wissenschaftlich, wenn sie dem etwas hinzufügt, was bisher schon in der Öffentlichkeit bekann was)
4. Die Untersuchung muss jene Angaben enthalten, die es ermöglichen nachzuprüfen, ob ihre Hypothesen falsch oder richtig sind
a) Beweise vorlegen
b) Erklären, wie ich vorgegangen bin
c) Erklären, wie man vorgehen müsste, um weitere zu finden
d) Nach Möglichkeit verdeutlichen, der Fund welchen Knochens meine Hypothese platzen lassen würde

Materialsuche
- Primärquellen "Die Schriften von Goethe"
- Sekundärquellen "Die Schriften über Goethe"
- Eine Übersetzung ist keine Quelle (ist Hilfsmittel)
- "eine Abschlussarbeit über einen Autor schreiben, heißt sich zu bemühen, dass man etwas sieht, was andere noch nicht gesehen haben..."
- die Quellen auf die sich das Thema des Gegenstandes richtet, müssen immer aus erster Hand sein

Suche
- Bibliothek: Schlagwortsuche (auch alte Schreibweisen testen)
- Bibliographische Nachschlagewerke (Handbücher)
- Zeitschriften
- Betreuer fragen
- Fernleihe
- Buchläden, wo man sitzen und lesen kann
- Internet, interne Netzwerke, CD-Roms, DVD's, Datenbanken

Arbeitsplan
- Die Inhaltsübersicht zugleich als Arbeitshypothese schreiben -> dient dazu , die von der Arbeit erfassten Bereiche abzustecken (Beispiel Autoreise: erst Weg planen, danach ändern)
- Inhaltsübersicht danach für jedes Kapitel eine zusammenfassende Inhaltsangabe
- Titel, Inhaltsverzeichnis, Einführung
- Obertitel: Das Attentat auf Togliotti und der Rundfunk
- Untertitel: Eine inhaltliche Analyse zum Nachweis, welcher Gebrauch vom Sieg Gino Bartalis bei der Tour de France gemacht wurde, um die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung vom wichtigsten politischen Ereignis abzulenken
- Untertitel beinhaltet eine Frage!
- Einleitung: Mit dieser Arbeit will ich die und die These beweisen. Die bisherigen Untersuchungen haben viele Fragen offengelassen, und das gesammelte Material ist unzureichend. Im ersten Kapitel versuche ich den und den Punkt nachzuweisen. Im zweiten beschäftige ich mich mit jenem anderen. Schließlich möchte ich dies und jenes nachweisen. Die Arbeit beschäftigt sich im Kern mit diesem Thema. Innerhalb der Arbeit ergeben sich diese und jene Grenzen und Einschränkungen. Ich habe diese Methode für meine Untersuchung dieser und jener Gruppe benutzt und beziehe mich v.a. auf die und die Quellen, die ich für die Arbeit erschließen konnte.
- ist eine vorläufige Einleitung, wird noch x-mal umgeschrieben
- ermöglicht Betreuer klarzumachen, was man will
- verdeutlicht, ob man schon klare Vorstellungen hat
- Einleitung so schreiben, als handle es sich um die Rezension des fertigen Buches
- Keine Angst zu weit vorzupreschen, später noch Zeit sich zurückzuziehen

Was unterscheidet die erste Fassung der Einleitung von der letzten?
- in der letzten vorsichtiger und weniger versprechen!
- Letzte Fassung hat Aufgabe, Leser Eindringen in die Arbeit zu erleichtern
- Halten, was man verspricht!
- "Eine gute, endgültige Fassung der Einleitung soll erreichen, dass der Leser sich mit ihr begnügt, alles versteht und den Rest der Arbeit nicht mehr liest
- Einleitung soll Rezensenten auf die richtige Idee bringen und ihn veranlassen, dass über das Buch zu sagen, was der Autor will
- Einführung legt fest was Zentrum und was Peripherie ist
- Gliederung z.B. chronologisch, Ursache - Wirkung, raumbezogen, vergleichend-gegenüberstellend, induktiv (von Beweisen zum Vorschlag einer Theorie), deduktiv (erst Theorie, dann Beweis)

Einleitung der Arbeit nach Inhaltsverzeichnis
1. Hauptproblem
1.1 Erstes Unterproblem
1.2 Zweites Unterproblem
2. Entwicklung des Hauptproblems
2.1 Erste Verzweigung
2.2 Zweite Verzweigung

- interne Verweisungen v.a. in Schlussfolgerung - Inhaltsverzeichnis ist Gitter

An wen richtet sich die Arbeit
- Anspruch auf ein breites Publikum haben
- Betreuer als Versuchskaninchen benutzen

BEACHTEN:
- Definition der verschiedenen Begriffe
- Der Leser hat nicht die gleiche Arbeit wie Schreiber hinter sich
- Was muss erklärt werden, was ist Allgemeinwissen - Zielgruppe
- Kurze Sätze, keine Angst vor Wiederholungen des Subjekts (S.185)
- Im ersten Durchgang - alles schreiben was durch den Kopf geht!
- Und viele Absätze für Rhythmus
- Später Abschweifungen in Anmerkungen unterbringen
- Abschlussarbeit beweist These, nicht nötig zu zeigen, dass man alles weiß
- Wenn Anfang schwierig mit späteren Kapitel beginnen

Zitate
1. Man zitiert einen Text mit dem man sich auseinandersetzt und den man interpretiert
2. Man zitiert einen Text zur Unterstützung der eigenen Auslegung

Einige Regeln
1. Stellen, die analysiert werden sollen, werden ausführlich zitiert
2. Textstellen aus Sekundärliteratur werde nur zitiert, wenn sie wegen ihres Gewichts die eigene Auffassung unterstützen
3. Wer zitiert, lässt damit erkennen, dass er die Ansicht des zitierten Autors teilt, es sei denn, er bringe etwas anderes zum Ausdruck
4. Autor und Quelle müssen sich klar ergeben
5. Historische Primärquellen werden, wenn möglich, nach der anerkanntesten Ausgabe zitiert, bei modernen aus der letzten Version, wenn sie Veränderungen oder Berichtigungen enthält
6. Fremdsprachige Autoren werden in der Originalsprache zitiert (außer bei statistischen Angaben, historischen Informationen, anderen Informationen)
7. Die Verweisung auf Autor und Werk muss klar sein (z.B. beim gleichzeitigen Zitieren mehrerer Autoren)
8. Die Zitate müssen wortgetreu sein
9. Zitieren ist wie in einem Gerichtsprozess etwas unter Beweis stellen. Man muss die Zeugen beibringen und den Nachweis erbringen, dass sie glaubwürdig sind, darum muss die Verweisung ganz genau sein.


FUßNOTEN

Mögliche Aufgaben
a) Fußnoten haben die Aufgabe, einer im Text behandelten Auffassung weitere bibliographische Angaben, die sie stützen, hinzuzufügen: "Vgl. zu dieser Auffassung auch..."
b) Fußnoten dienen der Verweisung in der Arbeit selbst und auf andere Arbeiten. (Interne Verweisungen können, wenn sie wichtig sind, auch im Text vorgenommen werden.)
c) Fußnoten dienen dazu, ein unterstützendes Zitat einzuführen, das im Text gestört hätte.
d) Fußnoten dienen dazu, im Text getroffene Feststellungen zu erweitern (z.B. Randbemerkungen und nebensächliche Informationen)
e) Fußnoten dienen dazu, Feststellungen des Textes richtigzustellen. Ihr seid eurer Sache sicher, aber es ist euch klar, dass andere anderer Meinung sind oder Einwende vorbringen könnten.
f) Fußnoten können die Übersetzung einer Textstelle in die eigene Sprache bringen.

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