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HA's vom:

HAUSAUFGABE 2

HAUSAUFGABEN VOM 29. APRIL 2003

Zum Nachbearbeitung des Textes von Popitz "Prozesse der Machtbildung" noch einige Fragen zum Überlegen für das kommende Tutorium:

1. Zum 1. Beispiel im Text (Schiff):
Woher rührt die Legitimität einen Stuhl besetzt zu halten? Und warum empfindet, der "Nichtprivilegierte" (ohne Liegestuhl) das Verhalten der "Privilegierten" (mit Liegestuhl) in der Regel ebenfalls als legitim?

2. Was meint Popitz in der Nachbemerkung auf Seite 42 mit: "Eine Widerstandsbereitschaft als gelernte Reaktion - einschließlich gelernter Verfahrensweisen - fehlte. Sie hätte in sehr frühen Stadien des Prozesses fast sicheren Erfolg gehabt."?


Zusammenfassung der Hausaufgaben der Studenten


1) Die Legitimität entsteht dadurch, dass sich die Besetzer gegenseitig in ihrer Sache bestätigen. Sie erkennen das vorher gehandhabte Prinzip nicht an und merken nach einer gewissen Zeit, dass die anderen, "Nichtprivilegierten" diesen Anspruch anerkennen, da sie sich ja nicht gegen die Besetzung wehren. Durch dieses Verhalten erfahren die Besetzer eine Art Bestätigung.

2) Ein Widerstand seitens der "Nichtprivilegierten" in einem Stadium, wo die Besetzer sich noch nicht formiert hatten wäre
durchaus möglich gewesen, weil sie noch nicht durch das Verhalten der "Nichtprivilegierten" in ihrem Verhalten gestärkt und vielleicht noch unorganisiert waren.

 

1. Zum 1. Beispiel im Text (Schiff):
Woher rührt die Legitimität, einen Stuhl besetzt zu halten? Und warum
empfindet, der "Nichtprivilegierte" (ohne Liegestuhl) das Verhalten der
"Privilegierten" (mit Liegestuhl) in der Regel ebenfalls als legitim?

Popitz beschreibt diesen Vorgang als Legitimitätsgeltung und begründet diesen damit, dass wenn die "Privilegierten" sich selbst untereinander einig sind, dass sie das Recht haben, den Liegestuhl besetzt zu halten, eine ausstrahlende Wirkung auf die "Nichtprivilegierten" haben. Popitz sagt, dass dieser Vorgang der Legimitätsgeltung in zwei unterschiedlichen Phasen von statten geht: Erst auf der Vertikalen ( die "Privilegierten" bestärken sich untereinander) und dann auf der Horizontalen (Legitimitätsanspruch der "Privilegierten" nach unten an die "Unterprivilegierten" und einen Legitimitätsglauben der "Unterprivilegierten" nach oben). So dient der vertikale Vorgang als interne Bestätigung unter den "Privilegierten" selbst, die sich gegenseitig bestätigen, was denen Sicherheit verschafft und eine ausstrahlende Wirkung auf die "Unterprivilegierten" mit sich zieht. Da diese Austrahlung von einer ganzen Gruppe ausgeht, verstärkt sich noch ihre Wirkung und Überzeugungskraft. Dies bezeichnet Popitz als die Sugsessivkraft. Die zweite Phase, das eigentliche Ziel der Legimitätsgeltung, nämlich die Anerkennung der Legitimität durch die "Unterprivilegierten", findet nahe zu von selbst statt und somit empfinden die "Unterprivilegierten" das Verhalten der "Privilegierten" meistens auch als legitim.

2. Was meint Popitz in der Nachbemerkung auf Seite 42 mit: "Eine
Widerstandsbereitschaft als gelernte Reaktion - einschließlich gelernter
Verfahrensweisen - fehlte. Sie hätte in sehr frühen Stadien des Prozesses
fast sicheren Erfolg gehabt."?

Da die Beteiligeten aus der Gesellschaft in der "Außenwelt" gewisse Verhaltensmuster übernommen haben, bringen sie diese auch in die kleine, separierte Gesellschaft in den Beispielen mit herein. Das heißt, dass die Beteiligten gewisse Machtverhältnisse aus der "Außenwelt" gewöhnt sind und sie diese in den jeweiligen Situationen in den Beispielen wiedererkennen und sich somit nach den gewohnten Verhaltensweisen richten. Somit fehlt der Widerstand gegen die neuen Machtverhältnisse und es wird den Betroffen erst wesentlich später klar, dass sie benachteiligt sind, jedoch ist nun das Machtsystem so weit gefestigt, dass Widerstand und Auflehnung nur selten zum Erfolg führen. Wäre dieser Widerstand noch in der Entwicklungsphase des neuen Machtsystems aufgekommen, hätte sich dieses neue System, wenn überhaupt, nur schwerlich durchsetzen können.

 


Zu 1.
- Die Legitimität, einen Stuhl besetzt zu halten, rührt daher, dass eine Gruppe von Menschen das Gleiche will, bereit ist sich gegenseitig zu unterstützen und dazu in der Lage ist, sich gut zu organisieren. Hinzu kommt, dass die Gruppe mit der gegensätzlichen Meinung nicht dazu in der Lage ist, sich effizient zu organisieren und die Aufgabe einer Neuverteilung der Regeln bzw. der Ordnung sehr schwer zu lösen ist. Die Nichtprivilegierten sind zwar gegen das Verhalten der Privilegierten, nehmen es aber stillschweigend hin. -Weil er zunächst keinen Ausweg sieht oder ihn nicht wahrnimmt. Mit der Zeit schleicht sich dann eine gewisse Legitimität ein, die Ordnung, Sicherheit und Gewissheit, vor dem was kommt, bietet und er sich lieber unterordnetals wieder Unordnung in das Bestehende zu bringen.

Zu 2.
- Dass die Benachteiligten sich eher zur Wehr hätten setzen müssen. Sie hätten Widerstand zeigen müssen und nicht alles hinnehmen dürfen. Der Erfolg bestünde dann wahrscheinlich darin, die gleichen Rechte zu besitzen und nicht benachteiligt zu werden.

 

Der Ausgangspunkt der Überlegungen zum Thema "Machtbildung" macht eine Anmerkung von David Hume aus, am erstaunlichsten sei in diesem Prozess (der Machtbildung) die Tatsache, dass die Minderheit häufig Macht über die Mehrheit gewinnt. Die Beispiele, die so einen Prozess ilustrieren, weisen auf größere Organisationsfähigkeit der kleineren Gruppe hin und in dieser Weise deuten Leichtigkeit, mit der die Minderheit die Macht ausübt. Wenn man Beispiele der Machtbildung analysiert, soll man auf alle Selbstverständlichkeiten verzichten - Menschen, die Macht haben, haben sie nicht deshalb, dass sie dafür irgendwie geeigneter sind, sondern darum, dass sie einfach ihre Chancen dafür ausnutzen konnten.
Wie Prozesse der Machtbildung verlaufen können, zeigt Popitz aufgrund der drei Beispiele, die verschiedene Machtdeutungen provozieren - Machtbildung als Ausdruck eines allgemeinen Consensus, Autoritätswirkung einer Person oder pure Vergewältigung. Drei Gesichter desselben Phänomens zeigen Beispiele der Machtbildung:
1 unter den Passagieren auf einem Schiff, die Macht durch Besitz der Legiestühle gewinnen wollen;
2 in einem Gefangenenlager, wo die vier geschäftstüchtigen Gefangenen den selbst konstruierten Herd zur Verfügung für die Andern stellen und dadurch eine Abhängigkeit der Andern von ihrem Willen schaffen;
3 Situation im Erziehungsanstalt, wo einige Jungen seine Macht den Übrigen einfach aufwerfen.
In bezug auf die angegebenen Beispiele analysiert Popitz einige sich aus der Machtverhältnisse ergebende Erscheinungen, wie zum Beispiel "Legitimitätsgeltung" (Anerkennung der Machtordnung durch die Herrschenden und die Beherrschten), Organisationsfähigkeit der Herrschenden, produktive Solidarität der Herrschenden, "Machtnahme als Staffelungsprozess" (Teilung der Macht nicht-Habenden in drei Gruppen - die Privilegierten, die scheinbar Neutralen und die Unterdrückten) , System der Umverteilung und damit verbundene dauerhafte Erneuerung der Machtverhältnisse und Verinnerlichung der de facto absurden Machtverhältnisse durch die Unterprivilegierten, die über Gewohnheit und Interessenkonformität (Max Weber) hinausgeht.
Alle diese Prozesse könnten auch unter wirklichen Bedingungen verlaufen (die Beispiele sind ein bisschen schematisch), obwohl es in Wirklichkeit mehr Möglichkeiten besteht, sich den Machtverhältnissen unmittelbar nicht unterzuordnen.

 


In seinem Text "Prozesse der Machtbildung," erschienen 1968 bei J.C.B. Mohr in Tübingen, widmet sich Heinrich Popitz der Frage, wie eine Minderheit Macht über eine Mehrheit bekommen kann. Der Autor untersucht dieses Phänomen der Machtbildung anhand dreier Beispiele von "kasernierten Gesellschaften" (Seite 6), das heißt Gesellschaften in denen Fluchten vor Konfrontation und Konflikt nicht möglich sind.

Im ersten Beispiel beobachtet Popitz den Prozess zur Bildung von Macht anhand eines Szenarios auf eine Schiff, welches Passagiere und mehr im Mittelmeer von Hafen zu Hafen transportiert. Dabei entsteht die Macht um das Objekt Liegestuhl herum. Im Kern der Handlung geht es darum, dass sich einige Wenige über das besitzlose System der Stuhlnutzung hinwegsetzen und diese besetzten. Aus dieser Situation heraus ergeben sich zwei Handlungsstränge: die Mehrheit versucht sich zum Widerstand zu organisieren und die Minderheit schafft durch den Anreiz Liegestuhlnutzung eine neue Klasse der Dienstleister. Jetzt sind die zahlenmäßigen Verhältnisse nicht mehr klar überschaubar und die Minderheit hat die erste kritische Phase überwunden, während die einstige klare Mehrheit um Ziele des Aufstandes und einer Nachordnung beschäftigt sind, die alle Interessen berücksichtig, was natürlich ihre Organisationsfähigkeit erheblich einschränkt gegenüber den Mächtigen, die ein gemeinsames Ziel in der Verteidigung ihres Besitzes haben. "Ihr gemeinsames Interesse ist nicht notwenig intensiver, aber organisationsfähiger." (Seite 9) Somit etabliert sich nach kurzer Zeit das System und die Mächtigen behalten ihre Liegestühle. Diese neue Ordnung sieht sich legitimiert im Konsens der Privilegierten: "Ich erkenne nicht nur meinem Anspruch an, sondern auch den Anspruch des anderen, der meinen anerkennt." (Seite 15) Und durch diesen sichtbaren "internen Vorgang" (Seite 15) der Privilegierten verändert sich auch die Mentalität der Übrigen. Für sie stellt sich nun ein Gedanke, den sie genau von der Partei erben die sie bekämpfen. "Bevor wir uns mit anderen Besitzlosen zu einer gemeinsamen Aktion verbinden, fragen wir uns, was für uns dabei herausspringt." Und dies manifestiert die neue Ordnung eindeutig, es hat also eine Minderheit Macht über eine Mehrheit erlangt.

Das zweite Beispiel spielt in einem Gefangenenlager. Hier ist die Ausgangssituation die, dass keiner keinen kennt und jeder sich um sich selbst kümmert. In diesem Lager schließt sich aber eine Gruppe von vier Männern mit verschiedenen Fähigkeiten zusammen. Sie teilen ihren Besitz und schaffen es durch Teamwork eine "Wohlstandsaristokratie" (Seite 17f) aufzubauen, die durch den Bau eines Herdes manifestiert wird, der ihnen als Monopol langfristig zu einer Machtstellung verhilft, die die anderen Insassen fast vollständig kontrolliert, da sie den Rest in ein Abhängigkeitsverhältnis stürzt. Als Gegenleistung für die Nutzung des Ofens verlangt die Gruppe erst Zahlungen, die sich im laufe der Zeit jedoch in Dienstleistungen verwandeln. Durch die immense Nachfrage wird die Auswahl deren, die Kochen dürfen, zum Gnadenakt und verschafft der Gruppe dadurch Einfluss im Lager, den sie nur durch die Erhaltung des Monopols behalten kann. Aus diesem Grund verhindert die Gruppe Nachahmungen in Form von Bau eines neuen Herdes. Und sie schafft es, "den Herd als Monopol zu etablieren. Im übrigen gewöhnt man sich allmählich an die Verteilung der Rechten und Pflichten. Sie wird zu einem Teil der Lagerordnung." (Seite 19). Dieses Stadium der Macht erreicht die Gruppe nur durch den im Lager einmaligen Vertrauensvorschuss unter den Vieren und die so erzeugt Solidarität, die Einzelleistungen zu einer größeren Leistungsfähigkeit innerhalb der Gruppe steigert. Popitz führt diese Leistungssteigerung auf zehn Gründe zurück:
1. Helfen und Teilen
2. Kollektivhandeln
3. zeitliche Reihung gleichartiger Tätigkeiten
4. räumlicher Trennung gleichartiger Tätigkeiten
5. stellvertretendes Handeln durch Ineinanderfügen verschiedenartiger Tätigkeiten
6. kurzfristige Arbeitsteilung
7. dauerhafte Arbeitsteilung
8. herausfinden neuer Arbeits- und Produktionsmethoden der Teilprozesse
9. Gliederungs- und Koordinationschancen des Gesamtprozesses
10. Arbeitskraft für neue Aufgaben freisetzen

Doch nicht nur diese Punkte verschaffen der Gruppe die Macht, die sie inne hat, sondern ihre dadurch gewonnen Beziehung jeglicher. "Die Machtbeziehungen entwickelten sich erst mit der zunehmenden Abhängigkeit Außenstehender [...] und verfestigen sich dann mit der Durchsetzung des Produktionsmonopols." (Seite 23) Außerdem zieht der Autor eine Parallele zum ersten Beispiel, denn auch hier lässt sich erkennen, dass die Macht aus der höheren Organisationsfähigkeit entstanden ist. Zudem ist hier ebenfalls von den Privilegierten eine dritte Klasse geschaffen worden, die ebenfalls das Gruppeneigentum im Auftrag dieser schützt, was hier jedoch im Gegensatz zum vorherigen Beispiel durch Teilung der Klassen in verschiedene Gruppierungen, also ihre Staffelung, geschieht und so die Organisationsfähigkeit der gegnerischen Partei noch stärker lähmt.

Das dritte und letzte Beispiel untersucht besonders die Prozesse innerhalb eines gefestigten Systems der Macht. Es handelt von dreizehn Jungen in einer Erziehungsanstalt und dreht sich um eine Gang mit vier Mitgliedern plus einem Anführer, die den anderen Jungen ein Teil ihrer Frühstücksration Brot abverlangt. Dieses Eintreiben geschieht durch eine Hilfstruppe von drei Jungen. Von der Beute erhält der Anführer zwei Scheiben, drei Teilen sich die vier Gang-Mitglieder und die übrig geblieben Scheibe wird unter der Hilfstruppe verteilt. Doch die Macht der Gruppe reicht noch wesentlich weiter. Sie kann Strafen für falsches Verhalten verhängen und verfügt auch über eine Exekutivgewalt in Form eines Einsatzkommandos. Neutralität existiert hier nicht, denn die Staffelung ist hier schon zu einer festen Struktur geworden, die von den Betroffen nicht durchbrochen werden kann, sondern nur durch äußeres Eingreifen z. B. durch Erzieher.
Popitz spricht bei diesem System von einer Art der Umverteilung, die durch Gewaltanwendung gesichert ist, was kein Kennzeichen sondern vielmehr ein Defekt dieses ist, da es "wie von allein funktioniert, es gewinnt eine selbstständige, freischwebende Funktionssicherheit. Gewalt tritt nur noch als Notmaßnahme zu Behebung gelegentlicher Störungen in Erscheinung." (Seite 31) Darin liegt auch der Teufelskreislauf dieser Ordnung. Jeder weiß was er zu tun und zu lassen hat und hält sich natürlich daran um seine Existenz nicht zu gefährden, doch gerade diese "Fügsamkeit der einen Gruppe ist zugleich für die Spitze das Mittel, die anderen fügsam zu machen." (Seite 31) "Ordnungen dieser Art gleichen Maschinen, [...] deren Antriebsenergie die Beherrschten selbst liefern." (Seite 33) Auch hier sieht Popitz genau wie im ersten Beispiel einen weiteren Machtprozess in der Legitimation durch Konsens. Hier besteht dieser aus der "inneren Annerkennung der Machtordnung durch dir Unterdrückten und Unterprivilegierten.," (Seite 33) wobei die Motivation zum Kosens natürlich einen anderen Ursprung hat, denn hier bietet, wie schon erwähnt, der Konsens Sicherheit, die Ordnung bietet eine gewisse Sicherheit, wie Popitz es nennt, einen Ordnungswert, der die Macht legitimiert.

Zusammenfassend findet der Verfasser sechs Zusammenhänge die in der überlegenen Organisationsfähigkeit der Privilegierten, der Entstehung der Legitimitätsgeltung aus dem Gegenseitigkeitsprinzip, der produktiven Überlegenheit von Solidaritätskernen, der Machtnahme als Staffelungsprozess, der Reproduktion der Macht im System der Umverteilung und dem Ordnungswert der Ordnung als Basislegitimität in seinen Beispielen. "Entscheidend ist in allen drei Fällen die Diskrepanz der Organisationsfähigkeit" (Seite 39), welche ihren Ausgangspunkt überall in Solidarität, Helfen und Teilen findet, der auf verschieden Weisen weiterentwickelt wurde . Den Gegensatz dazu bildet das Organisationsdefizit der Unterprivilegierten. Der Autor merkt hierzu an, dass sich alle Figuren nach konventionellen Verhaltensmustern verhalten, die von außen in diese "kasernierten Gesellschaften" (Seite6) hineingetragen wurden und somit affektartiges Handeln erst in späten Stadien der Prozesse wahrscheinlich gemacht hätten. Der Widerstand als "gelernte Reaktion" (Seite 42) fehlte, der wahrscheinlich in frühen Stadien der Machtübernahme gefruchtet hätte. Dennoch kann Popitz für sich eine Regel formulieren: "Macht über andere Menschen lässt sich [..] so steuern, dass der Einsatz von Besitzvorteilen die organisatorischen Vorteile erhöht und der Einsatz von organisatorischen Vorteilen die Besitzvorteile vermehrt." (Seite 41)

 

Kurzzusammenfassung >>

- Wie kann es dazu kommen, das nur einige wenige Macht über viele erlangen können und diese im Anschluss daran stabilisiert werden kann?

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht ein Phänomen im Prozess von Machtbildungen, in denen sich die Minderheit gegen eine Mehrheit durchzusetzen versteht.
Dem geht Popitz anhand drei fiktiver Beispiele nach, in denen er unterschiedliche Formen von Machtprozessen schildert.
In allen drei Beispielen sind die Startbedingungen so gewählt, dass alle beteiligten Personen unter gleichen Voraussetzungen beginnen.

Bsp.01 Machtbildung durch Konsens
Bsp.02 Machtbildung durch Autoritätswirkung Einzelner
Bsp.03 Machtstabilisierung durch gewalttätige Repressionen

Die Verteidigung von Besitz, das gelöste Problem von Verteilung und ein Konsensdenken führen im Vergleich zur Mehrheit zu einer Überlegenheit in der Organisationsfähigkeit der privilegierten Minderheit.

 

1. Zum 1. Beispiel im Text (Schiff) :
Woher rührt die Legitimität, einen Stuhl besetzt zu halten?
>> Die Legitimität der Priveliegierten leitet sich aus der Chancengleichheit zu Beginn ab. Jede/r hat die Möglichkeit, Stühle in Besitz zu nehmen, zumindest bis zum Zeitpunkt der vollständigen Besetzung aller Stühle.

Und warum empfindet, der "Nichtprivilegierte" (ohne Liegestuhl) das Verhalten der "Privilegierten" (mit Liegestuhl) in der Regel ebenfalls als legitim?
>> Die Gruppe Nichtprivilegierten eint zwar der gemeinsame Status, jedoch nicht unbedingt die gleiche Zielsetzung, was nun zu tun sei nach einer Neuordnung der Verhältnisse.
Durch fehlende Solidarität innerhalb der eigenen Gruppe und das Angebot der Privilegierten mit Leistungen in den Genuss der Stühle zu kommen, wird eine Solidarität unter den Nichtprivilegierten zwangsläufig verhindert. Die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg aller stabilisiert das System und legitimiert den Ist-Zustand, weil für jeden zumindest die Hoffnung auf den Genuss der Stühle gewahrt wird und somit eine scheinbare Gerechtigkeit herrscht

 

>zu Frage 1)

Laut Popitz rührt die Legitimität der Privilegierten daher, dass sie die Privilegierten untereinander "Recht" zusprachen, ganz nach dem Gegenseitigkeitsprinzip. Sie halfen sich gegenseitig ihre Interessen zu verteten. Der eine sorgte dafür, dass des anderen Stuhl nicht belegt wurde und umgekehrt, somit haben sie die Stuhlbesitzer untereinander zugesprochen und für sich eine eigene Legitimität aufgebaut. Der eine STuhlbesitzer machte quasi durch die Tatsache, dass der andere STuhlbesitzer das gleiche tat ein Recht für sich selbst daraus (und umgekehrt). "Ich erkenne nicht nur meinen Anspruch an, sondern auch den Anspruch des anderen, der meinen anerkennt. Weil ich den anderen anerkenne, bin ich im Recht, weil der andere mich anerkennt, ist er im Recht". Ich persönlich denke auch, dass die Legitimität, einen Stuhl besetzt zu halten auch daher rührt , dass sich die Privilegierten sagen " Wer zuerst kommt, malt zuerst" und wer nicht über genügend Organisationstalent verfügt, um sich selbst einen zu sichern, hat ganz einfach Pech. Zum anderen haben die Nichtpriviligierten ja auch die Chanche als "Wächter" in der Hierarchie aufzusteigen und so früher oder später selbst in den Besitz eines Stuhles zu kommen - somit könnten die Privilegierten belegen, dass jeder bei "guter Führung" die Chance hat und somit keine Ungerechtigkeit vorliegt. Ich denke, die Nichtpriviligierten sehen (verklärt) die Möglichkeit eines Aufstieges und somit ebenfalls eine Art "Gerechtigkeit" in der Rangordnung. Sie haben ja die Chance, einen Liegestuhl zu bekommen, wenn sie sich als Wächter anbieten und somit eine unmittelbare Abhängigkeit eingehen. Vielleicht spielt das Bewußtsein der eigenen Organisationsunfähigkeit und somit die Angst vor der möglichen VEränderung (was passiert wenn die Privilegierten gestürzt werden? Was wir die neue Ordnung?) auch noch dazu, dass hingenommen wird, statt sich zu wehren.

zu Frage2)
- "Eine Wiederstandsbereitschaft als gelernte Reaktion einschließlich
gelernter Verfahrensweisen fehlte" soll heißen, dass die Nichtbesitzer nach ihren ihnen bekannten Verhaltensmustern agierten und diese wiederum beinhalteten keine Wiederstandsreaktion. Die Nichtbesitzer akzeptierten einen Machthaben, bzw. eine machthabende Gruppe, da sie diese Gesellschaftsmodell bereits kannten und von jeher akzeptierten.
- " Sie hätte in sehr frühen Stadien des Prozesses fast sicheren Erfolg gehabt" soll heißen, wenn von Anfang an, eine Gegenbewegung zu dem Verhalten der Privilegierten aufgebaut worden wäre, hätte vielleicht einige der Privilegierten sich ihrer Sache nicht so sicher gefühlt und sich dem Wiederstand der Nichtprivilegierten erlegen. Die Zustimmung durch das Gegenseitigsprinzip der Privilegierten unter sich hätte sich wohl nicht so aufbauen können.

 

Zusammenfassung des Popitz Textes!

- der Text von Popitz erzählt drei Beispiele, in denen eine Minderheit Macht über eine Mehrheit ausübt
- alle drei Situationen haben zwei Dinge gemeinsam:
1. sie sind "kasernierte Vergesellschaftungen", d.h. sie sind auf einen bestimmten Raum beschränkt und den Mitgliedern dieser Gruppen ist es nicht gegeben, sich nach Belieben zu trennen
2. alle Mitglieder kommen mit den gleichen Voraussetzungen in die Gruppe
-während Popitz von diesen Situationen berichtet, versucht er gleichzeitig Die Entstehung von Macht in den Beispielen zu erklären

- das erste Beispiel ereignet sich auf einem Schiff:
- eine kleine Gruppe von Passagieren bringt die bisherige Ordnung der Liegestuhlverteilung durcheinander - sie besetzen alle Liegestühle
- dabei schaffen die Privilegierten sich einen Vorteil: einen Organisationsvorteil
- d.h. sie kooperieren, bieten sich gegenseitig Schutz und Bestätigung und bringen den restlichen Teil in ein Abhängigkeitsverhältnis
- das Wichtigste jedoch ist, dass sie sich untereinander und ihre Position gegenseitig anerkennen (sichtbar für Nicht-Privilegierte) - Suggestivwirkung entsteht -> die Nicht-Privilegierten akzeptieren die Situation ohne, dass ihnen das gesagt werden musste
- Popitz spielt nun die verschiedenen Möglichkeiten durch, die sich den Nicht-Privilegierten ergeben würden -> Auswegsmöglichkeiten nicht sehr groß( Umerziehung oder Bildung einer geschlossenen Gesellschaft wären Auswege) - entweder zu radikal oder aussichtslos
- nun stellt sich die Frage, wie eine solche Legitimitätsgeltung zustande kommt
- das passierte nach Popitz nach dem Gegenseitigkeitsprinzip(wie oben erklärt: gegenseitige Hilfe…)

2. Beispiel- in einem Gefangenenlager:
-eine kleine Gruppe von vier Männern entwickelt aufgrund besonderer Solidarität zueinander die die Vormachtsstellung im Lager
- durch gute Organisation, einen Produktionsvorsprung, die Entwicklung eines Herdes sowie die Zurückstellung individueller Bedürfnisse werden sie zum Handelszentrum des Lagers, schaffen sich ein Monopol und bringen die restlichen Gefangenen in ein Abhängigkeitsverhältnis(wie im Beispiel 1) -natürlich offenbaren sich ihnen durch ihre Solidarität auch ganz neue Möglichkeiten:
1. Möglichkeiten, die sich durch einen nicht sehr großen Aufwand an Koordination ermöglichen lassen
2. durch das Ineinanderfügen von verschiedenen Tätigkeiten erreichte Möglichkeiten( dafür hohes Koordinationsniveau sowie Koordinationsphantasie nötig)
-> Beispiele wären Helfen und Teilen(1), stellvertretendes Handeln(5) oder kurzfristige Arbeitsteilung (Hand-in-Hand-Arbeiten) (6)
-> die Gesamtleistung der Gruppe wird somit gesteigert, alle vier erhalten neue Optionen
- doch warum versuchen keine anderen Männer, solch eine Gruppe zu gründen und auch einen Herd zu bauen?
- zu erklären wäre das damit, dass die vier Männer mit ihren erreichten Vorteilen nun solche Gruppenbildungen verhindern konnten (Abhängigkeiten entstanden)
- das wiederum konnte durch die Einteilung der anderen Männer in drei Kategorien passieren:
1. Die "Verstärker
2. Die Neutralen
3. Die Unterprivilegierten
- dabei muss eine Solidarisierung zwischen den einzelnen Gruppen verhindert werden, die Gruppen dürfen sich nicht nahe kommen und jede Gruppe muss ein anderes Verhältnis zur Machtgruppe haben (gestaffelte Verhältnisse)
- nur so ist die Aufrechterhaltung des Systems möglich

3. Beispiel- in einer Anstalt:
- eine Gruppe von 13 Jungen wird, abgegrenzt vom Rest der Anstalt, sich selbst überlassen -> Selbstverwaltung
-sechs von ihnen sind die Herumkommandierten, drei weitere die die Hilfsgruppe und die restlichen vier die Machtausübenden- einer von ihnen der Chef
- nach Popitz hat sich hier der Prozess der Staffelung bereits gefestigt- feste Struktur gebildet
- hier sollen die Prozesse innerhalb des Systems interessieren
- für Popitz ist die Ausbeutung der sechs Jungen ein "ungünstiger Aspekt eines Systems der Umverteilung" -> dieses System funktioniert von allein
- außerdem sagt er, dass diejenigen, die die Macht auf sich einwirken lassen, unterstützen gleichzeitig die Machtgruppe
-> sie liefern ihnen die Machtmittel, das Verhalten anderer (jeweils der andren Gruppe) zu steuern
- gleichzeitig werden die niederen Gruppen wie im Beispiel 2 in verschiedene Interessen gedrückt
- die niedrigeren Gruppen erhalten das System und halten sich auch gegenseitig darin fest
- > die Beherrschten tragen zu ihrer Beherrschung bei
-> die Folge: das System lässt sich nicht so leicht aufbrechen
- Popitz stellt ebenfalls die verschiedenen Positionen der einzelnen Gruppen dar (ihre Schwächen)
- der Begriff der Ordnungssicherheit und der sich daraus ergebende Begriff des Investitionswertes werden erklärt (wären in der Anstalt auch möglich-> zeigt, wie das aussehen könnte)
-> Zeit spielt dabei wichtigen Faktor
- Anerkennung der Ordnung= Basislegitimität (noch keine Legitimitätsgeltung)

Nachwort:
- Erläuterungen zu allen drei Beispielen
- Noch einmal dargelegt, dass Besitz- und Organisationsvorteile eine entscheidende Rolle spielen

 

 


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[ Webmaster: Mario Behling  ]